Stellen wir uns die Schule nicht als ein Gebäude des Wissens vor, sondern als eine Höhle – ein Ort, an dem die Schüler im Schatten fremder Gedanken sitzen und auf Spiegelbilder von Ideen schauen, anstatt auf die Ideen selbst. Das ist keine Kritik – es ist eine platonische Metapher, eine der kraftvollsten in der Geschichte der Kultur. Die Methode LEGO-LOGOS führt die Persönlichkeit der Schüler aus der „platonischen Höhle“ heraus – nicht durch Vorträge, Tests oder Noten, sondern durch Bilder, kreatives Gestalten und Dialog.
Die Methode KLEINE REBELLEN – ΛΕΓΩ-ΛΟΓΟΣ (dt. LEGO-LOGOS) ist keine weitere didaktische Modeerscheinung, sondern ein origineller, philosophisch verwurzelter Versuch, Denken in Erfahrung zu verwandeln. Sie wurde inspiriert vom platonischen Höhlenbild – nicht als leeres Symbol, sondern als Handlungsmodell: Philosophie beginnt nicht mit Definitionen, sondern mit dem Sehen. Man muss zuerst sehen, um verstehen zu können. Deshalb beginnt LEGO-LOGOS nicht mit Worten, sondern mit Bildern – gebaut mit den Händen aus Bausteinen, Ton oder Holz.
Jedes LEGO-LOGOS-Treffen ist mehr als eine Unterrichtsstunde – es ist eine philosophische Expedition. Die Teilnehmer erhalten einen Text – oft antik (Platon, Aristoteles, Seneca, Marc Aurel), manchmal moderner (Leonardo da Vinci, Heidegger). Sie lesen ihn, analysieren ihn und versuchen, seinen Sinn zu erfassen – und dann… bauen sie. Sie verwandeln Gedanken in räumliche Formen. Das ist der Abstieg in die Höhle – eine eigenständige Auseinandersetzung mit dem Text, ohne vorgefertigte Antworten.
Wenn die Bauwerke fertig sind, beginnt der zweite Teil des Workshops – das gemeinsame „Anschauen“. Jeder präsentiert seine Konstruktion – schweigend. Die Gruppe versucht zu erraten, was der Erbauer ausdrücken wollte, welche Bedeutung hinter der Form, dem Symbol oder der Struktur steckt. Erst danach spricht der Schöpfer. Und hier zeigt sich das Wesen der LEGO-LOGOS-Methode: Das Sehen wird zum Ausgangspunkt des philosophischen Staunens. Es ist die Erfahrung der Entdeckung – dass etwas, das selbstverständlich schien, gar nicht selbstverständlich ist und ganz anders interpretiert werden kann.
In diesem Sinne ist LEGO-LOGOS ein Instrument des Ausstiegs aus der Höhle – nicht nur im übertragenen platonischen Sinn, sondern auch ganz real: aus der schulischen Höhle, in der oft bloß passives Wissen vermittelt wird. Die Methode zeigt, dass Denken nicht nur das Operieren mit Begriffen ist, sondern vor allem die Fähigkeit, Ideen in Dingen, Bildern, Gesten zu erkennen. Und was man einmal gesehen hat, kann man kaum wieder „ungesehen“ machen.
In LEGO-LOGOS gibt es keine Noten, keine falschen Antworten, keinen „Lösungsweg“. Es gibt einen Dialog, in dem jede Stimme zählt – weil jeder sein eigenes Verständnis aufbaut. Die Teilnehmer lernen nicht nur, Texte zu interpretieren, sondern auch einander. Sie entdecken, dass Verstehen nicht Herrschaft bedeutet, sondern Gastfreundschaft gegenüber einem anderen Blickwinkel.
LEGO-LOGOS ist eine Begegnung von Philosophie und Körperlichkeit – von Denken und Materie. Der platonische Begriff „Idee“ stammt vom Verb „sehen“. Um also wirklich etwas zu wissen, muss man es zuvor gesehen haben. LEGO-LOGOS gibt diese Möglichkeit – mit den Augen zu denken, mit den Händen zu bauen und mit dem Herzen zu sprechen.